© DAV Teisendorf
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Klettern am Korallenriff

04.08.2022

Klettern in der Pala – vom 24. bis 31. Juli 2022.

Da oben könnte ein Griff sein – vielleicht eine kleine Leiste? Ich greife hoch und meine Fingerkuppen liegen auf. Mit der Hoffnung auf mehr greife ich nach und der Griff wird richtig gut. Geht noch mehr? Ich versuch’s und habe den nächsten Henkel in der Hand. So ist es uns an der Cima della Madonna nicht nur einmal ergangen. Immer und immer wieder, stundenlang allerbester, sehr griffiger Fels. Wirklich verschwenderisch, wie viele gute Griffe hier an der steilen Schleierkante zu finden sind. Nur an der Schlüsselstelle wurde gespart. Hier sind auf ein paar Metern die guten Griffe anscheinend ausgegangen.

Was für ein Glück. Wir sind im Süden angekommen und konnten gleich am ersten Tag den schönsten Anstieg im Dolomit (Zitat: Walter Pause) klettern. Doch dann hat es uns das Wetter nicht leicht gemacht: Jeden Tag waren am Nachmittag Schauer und Gewitter prognostiziert. Also am Morgen noch ein wenig abwarten, bis der Fels endlich abtrocknet und trotzdem früh wieder zurück auf der sicheren Hütte sein. Wir entscheiden uns für die relativ kurze Tour auf den Punta Disperazione*. Der Berg wird von uns kurzerhand umgetauft: Punta Roccia fantastica passt viel besser! Ein etwas besserer Tag gibt uns die Chance, die Westkante auf den Sass d´Ortiga zu klettern. Hier können wir es uns so richtig vorstellen, dass die Pala vor vielen Millionen Jahren noch ein Korallenriff war. Das Riff bietet ein Überangebot von Griffen und Tritten. Wir fühlen uns wie kleine, bunte Fischchen, die entlang der Felsen nach oben gleiten. Aber nur bis zur vorletzten Seillänge. Hier müssen wir von einem gigantischen Klemmblock, einen griffarmen und trittlosen Bauch überwinden. Kurz darauf gehört uns der nächste einsame Gipfel. Wie auf (fast) allen Gipfel in der Pala ist auch der Sass d´Ortiga den Kletterern vorenthalten. Einen Normalweg für Wanderer und Bergsteiger gibt es nicht.

„Wollen wir auch auf den Gendarmen klettern?“. „Natürlich, wegen des Gendarmen sind wir ja hier“, antworte ich. Nur weil ich ein Buch über Klettertouren auf 50 Türme geschrieben habe, ist meine Leidenschaft für Türme doch noch lange nicht erloschen! Direkt hinter dem Rifugio Treviso türmen sich die steilen Felsen auf und in der ersten Reihe steht der Dente del Rifugio. Der schöne und teilweise sogar überhängende Franceschiniriss führt uns auf den Gipfel. Und dann beim Abstieg steht der Gendarm im Weg. Unten dünn, dann zwei kleine Überhänge und oben läuft er schön spitz zu. Ein wahres Prachtstück von Turm!

Inzwischen hatten wir uns auf der Hütte so richtig eingelebt. Doch nach einer Woche war es an der Zeit, die beeindruckende Szenerie der Pala wieder zu verlassen.

Tourenleitung, Fotos und Bericht: Stefan Stadler

*disperazione = verzweifeln